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Studierende in einem Hörsaal

Welches Studium wählen?

Nicht zu sehr auf Berufschancen schielen

Stand: 14.10.2013, 11:00 Uhr

In welchem Bereich werde ich später gebraucht? Dieser Ansatz führt bei der Studienwahl immer wieder in die Irre. Denn der Markt tickt schneller.

Von Jan Pallokat

Christoph Adna hörte die Signale aus der Industrie. "Um die Jahrtausendwende wurden im Maschinenbau Leute gesucht. Da gab es die Ansage, so und so viele gehen in Rente. Der Nachwuchs ist nicht da. Und ich hatte angefangen an der TU." Doch der junge Mann wurde nicht recht warm mit dem Maschinenbaustudium. "Das hat nicht zum Erfolg geführt. Hat ein bisschen länger gedauert."

Duales System - gut für Student und Firma

Die Lösung fand sich einige Jahre später. Nach abgebrochenem Studium startete Adna neu als Wirtschaftsingenieur-Student an der Hochschule Wirtschaft und Recht in Berlin. Sein dortiges duales Studium ist eng verzahnt mit der praktischen Arbeit bei einem kooperierenden Unternehmen, der Frisch und Faust Tiefbau aus Berlin mit Ablegern in Köln und Bahrain. Adna gefällt der straffe Ablauf des praxisnahen Studiums. Er bekommt ein Salär von der Firma, muss in drei Jahren den Bachelor schaffen, hat dann aber gute Chancen, bei der Firma gleich weiterzumachen. Ihm gefällt es. Und auch seinem Vorgesetzten Dieter Miesen: "Als kleines mittelständisches Unternehmen ist es uns besonders wichtig, dass die Investitionen in die Ausbildung langfristig Früchte tragen. Es wäre fatal: Wir haben nur einen Studenten, den wir ausbilden, wir haben nur einen einzigen Platz und dann stellen wir nach einem Jahr fest, der passt nicht." Hochschul-Konzepte wie diese, die stark auf den Bedarf der Wirtschaft zugeschnitten sind, basieren auf den früheren Berufsakademien – und versuchen auf ihre Weise, ein Problem zu lösen, neudeutsch "mismatch".

Das, was aus den Universitäten strömt, passt oft nicht zu dem, was in der Wirtschaft gebraucht wird - wie in den frühen 90er Jahren. „Da hatten wir Signale aus der Wirtschaft, die junge Leute abgehalten haben, technische Fächer zu studieren. Und dann den Ingenieurmangel der Jahrtausendwende. Das hat sich wieder geändert, wir haben jetzt guten Zulauf, der gehalten werden sollte. Aber jetzt fehlen diejenigen, die bislang für gewerblich-technische Fächer auf mittlerer Ebene gebraucht werden", sagt Robert Helmrich vom Bundesinstitut für Berufsbildung Bonn (BIBB).

Anstellung weit unter Niveau ist sehr selten

Was folgt aus all dem für die Studienwahl? Nicht zu sehr auf  Berufschancen schielen, rät der Hannoveraner Absolventenforscher Christian Kerst. Über 80 Prozent der Absolventen, die vor zehn Jahren geprüft wurden, fühlen sich laut einer Umfrage "adäquat" beschäftigt, also nicht unbedingt im Traumberuf, aber auf Akademiker-Niveau. Eine Anstellung weit darunter sei sehr selten, auch da, wo es noch am ehesten auftrete, etwa bei Geistes- und Erziehungswissenschaftlern, bei manchen Wirtschaftsstudenten, Biologen und Geographen, erklärt Kerst. Die sind dann in Sachbearbeitungsbereichen, viele Kulturwissenschaftler gehen dann Richtung Selbständigkeit und Werkvertrag. Der taxifahrende Philosoph ist eher die Ausnahme.

Akademiker beweisen oft besondere Flexibilität und ein Talent zum Quereinstieg. Genau das macht sie ja auch aus. Und so wechseln auch Absolventen der MINT-Fächer, Physiker oder Informatiker etwa, im Laufe des Lebens oft in andere Berufe, laut Institut Bundesinstitut für Berufsbildung in immerhin jedem zweiten Fall. Und den Unternehmen tut es vielleicht sogar ganz gut, wenn sie nicht nur Nachwuchs nach Maß bekommen, sondern auch Leute mit anderen Erfahrungen locken.