Service Psychologie - Die dunklen Schatten der Vergangenenheit

Alter und Trauma

Stand: 13.11.2014, 16:05 Uhr

Das Ende des Zweiten Weltkrieges liegt fast 70 Jahre zurück. Doch für Menschen, die diese Zeit erlebt haben, können schlimme Erlebnisse auch im Alter noch bedrückend sein. Das Projekt "Alter und Trauma" will ihnen helfen.

Von Sigrid Müller

Frau, die sich den Kopf mit der Hand abstützt

Wenn die Vergangenheit keine Ruhe lässt...

Gewalt, Hunger, Todesangst - fast zwei Drittel aller über 70-Jährigen haben im Krieg und in der unmittelbaren Nachkriegszeit traumatische Erfahrungen gemacht. Solche Erfahrungen sind für eine ganze Generation symptomatisch. Die Kinder und Jugendlichen mussten oft allein mit ihren Erfahrungen fertig werden, die Eltern waren oft selbst traumatisiert und konnten ihren Kindern nicht helfen. Man schwieg und verdrängte das Unaussprechliche. Im Alter erinnern sich viele Menschen daran, was sie erlebt haben. Das kann ganz plötzlich passieren.     

Die Angst kommt zurück

Gerüche oder Geräusche können Angstattacken auslösen. Ein Donnergrollen wird zur Bombenexplosion, Schritte auf dem Flur zu marschierenden Soldaten. Manche Menschen werden von ihren unverarbeiteten Erlebnissen regelrecht überflutet. Besonders häufig treten solche plötzlichen Attacken in Stresssituationen auf. Das kann der Tod des Ehepartners sein, ein Umzug oder die plötzliche Pflegebedürftigkeit.

Viele Frauen wurden im Krieg Opfer von sexualisierter Gewalt. Gerade in bestimmten Pflegesituationen kann ein solches Trauma wieder aufbrechen. Das Gefühl des Ausgeliefertseins führt dann oft zu starken Abwehrreaktionen, die Angehörige oder Pflegkräfte vielleicht nicht verstehen.

Das Projekt Alter und Trauma

Psychologen und Wohlfahrtsverbände wollen im Projekt "Alter und Trauma" das Thema "Kriegstraumata" ins Gespräch bringen. Sie informieren über die Symptome dieser psychischen Störung und wie man richtig damit umgeht.

Besonders tabuisiert sind sexualisierte Gewalterfahrungen bei der Kriegsgeneration, deshalb bietet die Initiative "Alter und Trauma" ein Beratungstelefon speziell für ältere Frauen an. Außerdem organisiert das Hilfsnetzwerk Erzählcafés in Altenheimen und Seniorenzentren.

Ängste immer ernst nehmen

Am wichtigsten ist es, die Angstattacken der alten Menschen ernst zu nehmen. Situationen, in denen sich Betroffene hilflos und ausgeliefert fühlen, sollten gar nicht erst entstehen. Das ist besonders im Heimalltag wichtig. Um die Ängste abzubauen hilft es, immer wieder mit den alten Menschen über ihre Kindheitserlebnisse zu reden. Über das Unaussprechliche endlich sprechen zu dürfen, einen Zuhörer zu haben, entlastet die traumatisierten Menschen. Wichtig ist für sie vor allem das Gefühl, dass sich jemand in ihrer emotionalen Not um sie kümmert. 

Trauma-Symptome sind keine Demenz

Auch von Ärzten wünschen sich die Mitarbeiter der Initiative mehr Einfühlungsvermögen. Häufig werden die Symptome eines Kriegstraumas mit den Anzeichen einer Demenzerkrankung verwechselt. Hier genauer hinzusehen, ist auch für Angehörige sehr wichtig. Nach Schätzung von Psychologen des Projektes "Alter und Trauma" ist etwa bei einem Drittel der Demenzdiagnosen in Wahrheit ein Kriegstrauma der Grund der psychischen Störung.

Redaktion:
Ruth Schulz

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