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Küchenexperimente - Kerzenkarussell

Stand: 20.08.2015, 15:05 Uhr

Im Karussell wird man nach außen gedrückt – das weiß jeder. Dieses Experiment zeigt aber: Manche Dinge zieht es auch nach innen.

Von Sascha Ott

Die Fahrgeschäfte auf Volksfesten und in Freizeitparks werden immer ausgefeilter und verrückter, um der verwöhnten Kundschaft immer neuen ultimativen Nervenkitzel zu verschaffen: Salto, Überschlag und Rotation um drei unterschiedliche Drehachsen gehören zum Standardprogramm. Allen Achterbahnen und Karussells gemeinsam ist nur eine grundlegende physikalische Wirkung: In einer Kurve wird man immer nach außen gedrückt. Dass es Ausnahmen von dieser Regel gibt, zeigt dieses Küchenexperiment.

DER VERSUCH

Angeblich erlebt die Vinyl-Schallplatte ja wieder eine gewisse Renaissance. Dennoch dürfte in vielen Haushalten kein Plattenspieler mehr verfügbar sein. Weiter unten nenne ich ein paar Alternativen. Hier aber zunächst der Standardaufbau:

  • ein Plattenspieler;
  • ein Windlicht oder eine hitzefeste Schüssel;
  • evtl. ein Glasdeckel, um das Windlicht abzudecken;
  • eine Kerze;
  • Feuer.

Ich stelle das Windlicht mit der Kerze auf den Plattenteller. Nicht in die Mitte, sondern möglichst weit in Richtung Rand, damit das Windlicht ordentlich Schwung bekommt. Den Plattenspieler stelle ich auf 45 Umdrehungen pro Minute, also auf das schnelle Tempo, mit dem man früher Vinylsingles hörte. Dann zünde ich die Kerze an und schalte den Plattenspieler ein.

DAS ERGEBNIS

Die Flamme lehnt sich nach innen. Sie legt sich richtig in die Kurve. Wenn der Plattenspieler Tempo aufnimmt, beginnt die Kerze zu flackern und wenn man von oben in das Windlicht hineinschaut, erkennt man dass die Flamme durch die Drehung nicht etwa nach außen gedrückt wird, wie wir es vom Karussell gewohnt sind, sondern im Gegenteil nach innen zur Mitte des Plattentellers.

DIE ERKLÄRUNG

Auf einen rotierenden Gegenstand wirkt eine Trägheitskraft, so als würde er durch eine unsichtbare Hand von der Drehachse nach außen gezogen. Diese Kraft heißt Zentrifugalkraft oder Fliehkraft. Von Fachleuten (vorzugsweise pensionierten Physiklehrern) wird an dieser Stelle gerne darauf verwiesen, dass es sich bei der Fliehkraft eigentlich nur um eine Scheinkraft handelt. Denn es zieht nicht wirklich eine Kraft den Gegenstand von der Drehachse weg, sondern der Körper hat das Bedürfnis aufgrund seiner trägen Masse einer geradlinigen Bewegung zu folgen (Erstes Newtonsches Gesetz) und wird dann durch eine zur Drehachse gerichtete Kraft, die Zentripetalkraft (vermittelt zum Beispiel durch die Ketten im Kettenkarussell) auf eine Kreisbahn gezwungen.

Die Zentrifugalkraft ist nicht immer gleich stark, das hat jeder schon mal gespürt: Dreht sich das Karussell schneller oder sitzt man weiter außen, ist die Fliehkraft größer. Aber sie wirkt auch nicht auf jeden Gegenstand gleich stark. Ein schwerer Mann wird stärker nach außen gedrückt als ein kleines Kind. Und da sind wir bei unserer Kerze. Die Kerzenflamme sorgt nämlich für Gewichtsunterschiede im Windlicht. Die brennenden heißen Gase der Flamme sind leichter als die kühlere Luft am Rand. Lasse ich das Windlicht auf dem Plattenteller Karussell fahren, dann wird die schwere kühle Luft im Windlicht stärker nach außen gedrückt als die heißen leichten Gase der Flamme. Die Luft drängelt sich dabei sozusagen an der Flamme vorbei nach außen. Und die Flamme neigt sich dann im Gegenzug nach innen.

Sollte die Kerzenflamme zu stark flackern, um die Neigung zu erkennen, kann man das Windlicht auch mit einem Glasteller abdecken, damit beim Drehen weniger Luft von außen in das Windlicht gewirbelt wird. Das hat allerdings den Nachteil, dass das Experiment immer nur wenige Sekunden dauert, wenn der Deckel das Windlicht zu dicht verschließt und keine frische Luft nachströmt. Außerdem ist natürlich darauf zu achten, dass der Teller nicht heruntergeschleudert wird. Wer keinen Plattenspieler zur Hand hat, muss sich anders behelfen: Alternativ kann man das Experiment auch mit einer drehbaren Tortenplatte ausprobieren oder sich einfach mit dem Windlicht im Arm um sich selbst drehen.

FAZIT

Bei Dingen, die leichter als Luft sind, wirkt die Fliehkraft auf verblüffende Weise anders als erwartet. Das können Sie nach überstandener Karussellfahrt auch noch einmal auf der Heimfahrt von der Kirmes erleben: Heliumballons werden nämlich im anfahrenden Auto nicht nach hinten sondern nach vorn gedrückt. Sagen Sie also den Kindern, Sie sollen ihren Ballon festhalten, denn mit einer heliumgefüllten Prinzessin Lillifee an der Windschutzscheibe fährt es sich so schlecht.

Redaktion:
Peter Ehmer