Buchcover: "Bannmeilen" von Anne Weber

Buch der Woche

"Bannmeilen" von Anne Weber

Stand: 08.03.2024, 14:24 Uhr

Wie keine andere Stadt in Europa, besteht Paris aus zwei Welten: der Innenstadt und den Randzonen, der Périphérique. Anne Weber entführt uns in ihrem Roman "Bannmeilen" in das andere Paris, in die Welt der als unlebenswert geltenden Vorstädte, der Banlieues.

Seit den 70er Jahren ist Paris eingeschlossen von einer Ringautobahn, der sogenannten Périphérique. Hier leben viele Migranten, stehen Hunderte von Hochhäusern. Für viele Pariser Terra incognita, auch für die deutsche, seit langem in Paris lebende Ich-Erzählerin in Anne Webers Roman "Bannmeilen".

Da schlägt ihr alter Freund Thierry vor, mit ihr Streifzüge durch die Banlieues im Departement Seine-Saint-Denis zu unternehmen. Bannmeilen ist die deutsche Übersetzung der französischen Banlieues. Mit Thierry lernt die Ich-Erzählerin ein ganz anderes Paris kennen, eine Welt, für die sie vorher blind gewesen ist, wie sie sich eingesteht. Thierry hat einen algerischen Vater und eine französische Mutter, ist in der Banlieue aufgewachsen und plant nun als Filmemacher eine Dokumentation über seine Herkunftsgegend, in der auch einige Spielstätten für die Olympischen Spiele dieses Jahr geplant sind.

Seine-Saint-Denis ist eine Gegend, wo sich die Menschen, meist Migranten aus den Maghreb-Staaten, allein gelassen fühlen. Keine der im Zentrum von Paris so zahlreich anzutreffenden Supermarktketten traut sich hierher. Schrottplätze, Müllhalden, auf denen sogar Friedhöfe errichtet wurden, gehören zum Stadtbild. Und der ehemalige Präsident Nicolas Sarkozy versprach einst, die Gegend mit dem Kärcher reinigen zu lassen.

Aber, auch Galerien und soziales Leben sind hier zu finden. Das Café des Algeriers Rachid ist der Ausgangspunkt für die täglichen Streifzüge. Was anfangs nur eine Auftragsarbeit für Thierry war, entwickelt sich immer mehr zu einer Reise in die eigene Geschichte, die der Großeltern- und Elterngeneration, des Großvaters, dem alles fremd war und blieb, des Vaters, der sich assimilieren wollte und alles tat, um ein erfolgreicher Franzose zu werden.

Und die Erzählerin entdeckt für sich in der Banlieue eine Welt, von der sie zuerst glaubte, dass nichts, was hier vorgehe, sie angehen könne. Dann wird das Erlebnis fremder Kulturen, so unmittelbar vor ihrer Haustür zu einer Reise, die sie immer und immer weiter fortsetzen möchte.

Eine Rezension von Terry Albrecht

Literaturangaben:
Anne Weber: Bannmeilen. Ein Roman in Streifzüge
Matthes & Seitz, 2024
301 Seiten, 25 Euro