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Buchcover: "Lorenz" von Ilona Jerger

"Lorenz" von Ilona Jerger

Stand: 20.12.2023, 14:56 Uhr

Ilona Jerger hat eine Fortsetzung ihres Bestseller-Romans "Und Marx stand still in Darwins Garten" veröffentlicht. Darin führt sie aus, wie es mit der Evolutionstheorie im Jahrhundert nach Darwin weiterging.

Im Mittelpunkt steht daher und diesmal der österreichische Verhaltensforscher Konrad Lorenz. Lorenz hat als "Tierpsychologe" (so hat er sich selbst bezeichnet) für die Erforschung angeborener Verhaltensweisen den Nobelpreis erhalten. Ihm selbst war wohl eine tiefe Zuneigung zu Tieren angeboren.

Bilder von ihm als bärtiger Gänsevater haben sich im vergangenen Jahrhundert tief in das kollektive Bewusstsein der Menschen in Deutschland und an vielen anderen Orten der Welt eingeprägt. Als begnadeter Geschichtenerzähler hatte er die Fähigkeit, die Menschen damit zu versöhnen, dass sie nach den Lehren Darwins so eine Art Tier sind. Darin sieht auch die Romanautorin Jerger ein großes Verdienst von Konrad Lorenz.

Doch weite Teile des Buches befassen sich auch mit der dunklen Seite des 1989 gestorbenen Wissenschaftlers. Lorenz‘ Nähe zu den Nationalsozialisten und seiner Zustimmung zu deren "Rassenlehre". Seiner von ihm selbst immer geleugneten und doch erwiesenen Mitgliedschaft in der NSDAP.

Ilona Jerger thematisiert, wie sehr Konrad Lorenz bis zum Ende seines Lebens von der Auffassung überzeugt war, es gebe sowohl gute als auch schlechte Gene. Nach jahrelangen und intensiven Recherchen zeichnet Ilona Jerger ein ambivalentes Bild dieses in der Tat sehr widersprüchlichen Menschen.

Der sich bereits Ende der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts ganz der neu entstehenden Umweltbewegung verschreibt und seine Mitmenschen in Bestseller-Büchern für den Naturschutz begeistern kann. Andererseits ein Freund schneller Autos ist und auf der Autobahn das Gaspedal voll durchdrückt.

Darüber hinaus bringt sie andere prominente Zeitgenossen wie Martin Heidegger, Willy Brandt, Hannah Arendt, Paul Celan oder Bernhard Grzimek mit ins Spiel. So entstand ein lehrreiches, weil auch sehr unterhaltsames Panorama der Höhen und der Tiefen des 20. Jahrhunderts. In der wir auch gleich auf den ersten Seiten schon erfahren, dass in den 30 Jahren auch US-Präsident Roosevelt ein Befürworter von Zwangssterilisierungen war.

Erzählt wird der Roman aus der Perspektive einer in der Gegenwart lebenden Biologin. Die uns mit der Augen einer Frau aus der Gegenwart auf die Geschehnisse der damaligen Zeit und den Einstellungen der Menschen in jenen Tagen blicken lässt. Ilona Jerger fordert uns auf, in der Beschäftigung damit nicht nachzulassen.

Eine Rezension von Michael Reinartz

Literaturangaben:
Ilona Jerger: Lorenz
Piper Verlag, 2023
336 Seiten, 24 Euro