Die Literaturgeschichte ist manchmal ungerecht. Erst 36 Jahre nach seinem Erscheinen, kann die deutsche Leserschaft diesen wichtigen und großen Roman in der Übersetzung lesen. Dass der Wagenbach Verlag dies ermöglicht hat, ist dem Haus hoch anzurechnen.
Ein Roman, der in der High Society der kolumbianischen Küstenstadt Barranquilla in den 50er Jahren spielt. Literaturkennerinnen- und Kenner horchen bei diesem Namen gleich auf. Das ist der Heimatort des lateinamerikanischen Großschriftstellers und Literaturnobelpreisträgers Gabriel Garcia Marquez.
Tatsächlich verbindet die beiden nicht nur eine Bekanntschaft, sondern auch eine literarische Ähnlichkeit. Wer dessen Bücher schon einmal gelesen hat, dem wird es so vorkommen, als käme er nachhause in die dumpfe und unerträgliche Hitze dieser Region.
Allerdings schreibt Moreno ohne den magischen Anteil, wenn auch ebenso lebhaft. Das Alter Ego der Autorin, Lina, erzählt in ihrem Pariser Exil die Lebensgeschichten dreier Freundinnen. Dabei spannt sie große Erzählbögen von Anfang bis über die Mitte des 20. Jahrhunderts hinaus. Neben einer Anklage an das Patriarchat, reflektiert sie auch über den Kolonialismus und letztlich auch Kapitalismus.
Ein kluger Roman, der bei aller Schwere auch eine ironische Note besitzt. Rike Bolte überführt diesen komplexen Roman mit seinen endlos langen Sätzen souverän ins Deutsche, sodass auch die deutschsprachige Leserschaft teilhaben kann an diesem stilistisch, literarisch und erzählerisch so originellen Titel.
Literaturangaben:
Marvel Moreno: Im Dezember der Wind
Aus dem kolumbianischen Spanisch von Rike Bolte
Wagenbach Verlag, 2023
432 Seiten, 32 Euro
