Buchcover: "Der Apparat" von J. O. Morgan

"Der Apparat" von J.O. Morgan

Stand: 07.07.2023, 08:32 Uhr

Ein zunächst unscheinbarer "Apparat" steht im Zentrum dieses Romans des schottischen Lyrikers J.O. Morgan. Anfangs kann der Prototyp gewöhnliche Dinge wie einen Plastiklöffel von einem Ort zu einem anderen "teleportieren". Dann wird die Technik immer besser und ausgefeilter.

Bald schon kann der "Apparat" größere Gegenstände atomisieren und an anderer Stelle wieder neu zusammensetzen. Probleme gibt es zunächst noch bei organischem Material wie Hartholz oder Elfenbein. Später werden menschliches Fettgewebe und dann auch Organ-Partikel eines Menschen teleportiert.

Weltweit wird das Transportwesen durch den Apparat revolutioniert. Große Reedereien und Flughäfen sind obsolet. Die Menschen wollen (als Konsumenten) von diesem Fortschritt profitieren. Können Sie doch so zum Beispiel minutenschnell von einem Kontinent zum anderen reisen. Müssen keine anstrengende Überlandfahrt mehr antreten, um ihre Eltern zu besuchen und stehen dabei auch nicht mehr im Verkehrsstau.

Zwar bleiben gewisse Zweifel bestehen. Kann es denn wirklich sein, dass ein Mensch, nachdem er in seine Einzelteile atomisiert und an einem anderen Ort wieder zusammengesetzt wurde, wirklich komplett unverändert bleibt? Es gibt wohl Komplikationen, rätselhafte und bedrohliche Zwischenfälle, wirklich hinterfragt werden sie aber nie. Ganze Staaten scheinen den Zugang zu dieser Technik und auch die Kontrolle darüber völlig verloren zu haben.

Kapitel für Kapitel erleben die Leserinnen und Leser, wie der Apparat weiterentwickelt und scheinbar perfektioniert wird. In jedem Abschnitt tauchen andere Personen auf, richtige Protagonisten, die uns als Helden oder Anti-Helden durch die Geschichte begleiten, gibt es nicht. Im Mittelpunkt steht die Technik, der Apparat. Ein System, das in der Lage ist, die ganze Menschheit zu beherrschen. Das Ding verselbstständigt sich.

J.O. Morgan, der sonst eher als Lyriker bekannt ist, beschäftigt sich in diesem Text mit einem der neuesten Schreckgespenster für die Menschheit. Mit einer Künstlichen Intelligenz die zur Bedrohung wird. Wer aber steckt hinter dieser Firma, diesem so mächtigen und allumfassenden Unternehmen? Jedenfalls wird es so wichtig für die Weltwirtschaft, dass es machen kann was es will. In "Der Apparat" verbirgt sich das Grauen unter der Oberfläche. Die Weltherrschaft wird nicht so brutal ausgeübt wie in George Orwells "1984". Doch das System funktioniert und wird nicht mehr grundlegend in Frage gestellt.

Morgan lässt eine seiner Figuren sagen: "Es gab mal eine Zeit, da brauchten wir das nicht, aber jetzt haben wir’s und weil wir es haben, brauchen wir es und die Leute wollen nicht, dass man es ihnen wegnimmt. Würden Sie nicht zulassen. Alles würde da zusammenbrechen. Die ganze Gesellschaft."

Auch wenn "Der Apparat" Elemente eines Science-Fiction-Romans enthält, könnte er fast auch genauso gut in unserer Gegenwart spielen. Der Autor beschreibt die Gleichgültigkeit der Menschen gegenüber einer Technik, die sie gar nicht verstehen, aus der sie aber Nutzen ziehen wollen. Das erinnert an die freiwillige Abhängigkeit in die wir uns begeben, wenn wir neue Technologien nutzen und zulassen, dass einzelne Unternehmen zu Monopolisten werden. Und es wirkt, also wolle uns J.O. Morgan dazu bringen, dringend etwas mehr über die Konsequenzen unseres gedankenlosen Konsums nachzudenken.

Eine Rezension von Michael Reinartz

Literaturangaben:
J.O. Morgan: Der Apparat
Aus dem Englischen übersetzt von Jan Schönherr
Rowohlt, 240 Seiten, 24 Euro