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Buchcover: "Der Anfang vom Ende" von Mark Aldanow

Buch der Woche

"Der Anfang vom Ende" von Mark Aldanow

Stand: 21.07.2023, 08:47 Uhr

Russische Schriftsteller im europäischen Exil? In Moskau ein Diktator? Der Anfang vom Ende des "Alten Europa" liegt in der Luft? Alles schon mal dagewesen! Aber anders.

Ein Zug fährt durch Europa: von Moskau quer durch Deutschland nach Paris. An Bord: ein Botschafter, ein General, ein Geheimagent und die schöne Botschaftssekretärin Nadja. Drei Männer mit Vergangenheit und eine junge Frau mit Zukunft. Wir sind am Ende der 1930er Jahre, noch hat der Weltkrieg nicht begonnen, aber alle wissen: er kommt. Auf den deutschen Bahnhöfen marschieren schon Uniformierte. In Moskau herrscht Terror. In Spanien tobt der Bürgerkrieg. Der Anfang vom Ende des alten Europa - er ist da.

In Paris treffen die drei sowjetischen Abgesandten auf französische Politiker, Bankiers und Künstler. Verhandlungen und diplomatische Manöver entfalten sich, Bündnisse müssen geschmiedet werden. Aber keiner traut dem anderen. Zumal die sowjetischen Abgesandten nicht nur ums Überleben kämpfen - in Moskau herrscht Stalin - sondern auch um die Zuneigung der schönen Nadja. Parallel ringt ein alternder französischer Starschriftsteller mit seinem neuen Roman und sein Sekretär begeht einen Mord um zu beweisen, dass es so etwas wie den perfekten Mord gibt. Ein später Erbe von Dostojewskijs Raskolnikow.

Der große russische Emigrant Mark Aldanow entwirft in "Der Anfang vom Ende" ein großes Panorama von Europa am Abgrund. Die großen Fragen der Zeit werden diskutiert. Demokratie und Faschismus. Kunst, Politik und Krieg. Aber für Mark Aldanow wurde Geschichte nicht von Ideen gemacht, sondern von Menschen. Aldanow war ein Mann, der weder an Fortschritt glaubte noch an Moral oder Aufklärung. Geschichte war für ihn vor allem viel Zufall, Zynismus und Dummheit. Menschliche Schwächen, Neid & Elend. Die späten 30er Jahre lieferten ihm dafür bestes Anschauungsmaterial. — Eine große, späte Entdeckung!

Eine Rezension von Uli Hufen

Literaturangaben:
Mark Aldanow: Der Anfang vom Ende
Aus dem Russischen von Andreas Weihe
Rowohlt, 640 Seiten, 36 Euro