Buchcover: "Dein Taxi ist da" von Priya Guns

Buch der Woche

"Dein Taxi ist da" von Priya Guns

Stand: 30.06.2023, 11:34 Uhr

Überleben in der Metropole: Priya Guns Debüt ist ein top zeitgenössischer Diskursroman, der das mit hinreißender Erzählkunst listig zu kaschieren weiß. Beste Unterhaltung – mit jeder Menge Substanz und einem großen Vorbild.

Damani fährt Taxi. Tag und Nacht. Weil sie es muss; sie schafft es gerade so eben, sich und ihre traurig-depressive Mutter durchzubringen mit dem, was sie verdient. Den Wagen hat sie von ihrem verstorbenen Vater übernommen. Durchkommen, darauf kommt es an, irgendwie am Monatsende das Geld für die Miete zusammenhaben, das geht auch ihren Freunden und Freundinnen so. Immerhin, sie haben sich, das bisschen Zeit miteinander, das bleibt, neben den verschiedenen Ausbeuter-Jobs. Für Momente kann man da sogar mal träumen, von besseren Zeiten, von weniger Ungerechtigkeit – von einer besseren Welt?

Priya Guns erzählt in ihrem Debütroman "Dein Taxi ist da" von Damani und ihrer Mutter, von ihren Freundinnen und Freunden und natürlich von den Menschen, die Damani mit ihrem Taxi befördert. Nicht von ungefähr erinnert diese Geschichte an den Film "Taxi Driver", den Priya Guns sehr verehrt. Sie wollte die Story in die Gegenwart übertragen, mit Blick auf die Menschen, die am Rand der Gesellschaft stehen, die Gesellschaft eigentlich aber am Laufen halten. Und sie wollte eine queere Person of Colour im Zentrum haben, so ist dieser Roman entstanden. Manches darin erinnert an London, aber die Stadt wird nicht genau benannt, es könnte jede Metropole sein, in der viele Menschen sich mehr schlecht als recht durchschlagen, vor allem die mit Einwanderungsgeschichte.

Irgendwann lernt Damani ihre Traumfrau kennen, natürlich im Taxi. Jolene, weiß, aus besten Verhältnissen. Die beiden haben eine wunderbare Zeit, viel Liebe, große Leidenschaft, tollen Sex. Lassen sich die Gräben doch überwinden? Die Illusion platzt so unvermittelt wie sie entstand; mit üblen Konsequenzen für Damani und einige ihrer Freunde. Weil Jolene nicht versteht, warum sie so sind, wie sie sind, warum sie so sein müssen.

Ein Diskursroman also, es geht um Klassismus und um strukturellen Rassismus. Fast ein soziologischer Ansatz. Aber keine Sorge, davon ist nichts zu spüren bei der Lektüre, weil Priya Guns so hinreißend schnodderig und bestechend kurzweilig zu erzählen vermag. Weil ihre Charaktere faszinieren. Und weil sie ganz genau weiß, worum es geht. Priya Guns sagt übrigens, sie wollte einen Roman schreiben für Menschen, die ständig im Netz sind, sich ablenken, die eine kurze Aufmerksamkeitsspanne haben. Um sie für die Literatur zu begeistern. Vielen Dank, bei mir ist das bestens gelungen!

Eine Rezension von Ulrich Noller

Literaturangaben:
Priya Guns: Dein Taxi ist da
Aus dem Englischen von Mayela Gerhardt
Blumenbar Verlag, 322 Seiten, 23 Euro