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Judith Grümmer, Gründerin des Familienhörbuchs, steht in einem Tonstudio

Bundesverdienstkreuz für Kölner Familienhörbuch-Erfinderin

Stand: 26.04.2024, 16:14 Uhr

Sie produziert mit unheilbar erkrankten Eltern persönliche Familienhörbücher. Ein Tondokument für die Hinterbliebenen: Dafür hat die Kölnerin Judith Grümmer am Freitag das Bundesverdienstkreuz erhalten.

Von Judith Levold

"Was für eine Chance!" So empfindet es Franzi S., Mutter zweier halbwüchsiger Kinder. Vor zwei Jahren erhielt sie die Diagnose Brustkrebs und gilt inzwischen als Palliativpatientin. Sie wird nicht mehr geheilt werden. Im Internet entdeckte sie die Möglichkeit, mit den Audiobiografen der Familienhörbuch gGmbH ein persönliches Familienhörbuch zu gestalten. Kostenlos für sie und ihre Familie.

"Meine Geschichte, von mir selbst erzählt - das hat mir ganz viel Druck genommen und fühlt sich sehr entlastend an." Franzi S., Palliativpatientin und Mutter
Franzi S. auf der Palliativstation

Franzi S. gestaltete ihr persönliches Familienhörbuch.

Es habe trotz des traurigen Anlasses "sehr viel Spaß gemacht", erzählt die 45-Jährige, die vergangene Woche ihr Hörbuch fertiggestellt hat. "Ich habe jetzt diesen Schatz", sagt sie, und das sei ihr besonders für ihre beiden Kinder sehr wichtig. Es seien kurzweilige Kapitel darin mit vielen freudvollen Episoden aus dem Familienleben, aus ihrer eigenen Kindheit und Jugend, und es mache Mut. Viele Dinge seien ihr auch klarer geworden im Verlauf der Hörbuchproduktion.

"Die Stimme vergisst man als Erstes"

"Die Stimme eines Menschen vergisst man als Erstes", sagt die langjährige Kölner Hörfunkjournalistin Judith Grümmer. Und sie muss es wissen - seit 2018 ist sie selbst Witwe. Der Wunsch aber, Stimme und Ausdruck eines Menschen in Erinnerung behalten zu können mit dem von ihm selbst Erzählten - das brachte sie vor Jahren auf die Idee zu Familienhörbüchern. Unheilbar und lebensverkürzend erkrankten Eltern wollte sie damit ermöglichen, ihren Kindern sowie anderen Angehörigen und Freunden ein "Zukunftsgeschenk" zu machen.

Herzensprojekt

Sie kündigte deshalb ihren Job und widmet sich seit sechs Jahren mit voller Kraft und vielen helfenden Wegbegleitern ihrem Herzensprojekt für palliativ erkrankte Eltern, inzwischen mit der von ihr 2019 gegründeten Familienhörbuch gGmbH. Im Unternehmen sorgen neben einer handvoll Festangestellter und zahlreichen Ehrenamtlern 40 sogenannte AudiobiografInnen und 40 Tontechniker/Sounddesigner dafür, dass die Gedanken und die Persönlichkeit der Erzählenden inhaltlich und technisch hochwertig eingefangen werden.

Den Angehörigen ein Tondokument hinterlassen

Und das nicht nur für Kinder und andere Angehörige, die künftig mit einem Familienhörbuch auch in ihrer Trauerarbeit Unterstützung und Trost finden können. Den Erkrankten selbst, denen nicht mehr viel Zeit bleibt, gibt das Gestalten des Familienhörbuchs Kraft und Selbstbestätigung: Ich behalte die Deutungshoheit über mein Leben und kann etwas herstellen, als Geschenk für andere, für die Zukunft.

Rückgrat der Gesellschaft

Für ihre Arbeit und den Aufbau der Familienhörbuch gGmbH hat Judith Grümmer jetzt das Bundesverdienstkreuz erhalten. Sie sei "in besonderer Weise Teil des gesellschaftlichen Rückgrats", so Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker bei der Verleihung am Freitag.

Hörbücher als Regelleistung in der Palliativmedizin?

Familienhörbücher sind für die PatientInnen kostenlos, finanziert werden sie derzeit aus Spenden und Förderungen der Familienhörbuch gGmbH durch mehrere Stiftungen. Dank der wissenschaftlichen Begleitung durch die Palliativmedizin des Universitäts-Klinikums Bonn und des Nationalen Zentrums für Tumorerkrankungen können Familienhörbücher vielleicht irgendwann einmal zur Regelleistung in der Palliativmedizin werden.

Unsere Quellen:

  • Henriette Reker, Oberbürgermeisterin der Stadt Köln
  • Judith Grümmer, Initiatorin der Familienhörbücher
  • Franzi S., Palliativpatientin und Mutter